Mobilfunk, das trendigste Milliardengeschäft
Bundesbeamte, politische Parteien von links bis rechts und eine beachtliche Bevölkerungsschicht sind davon überzeugt, dass ein möglichst unlimitierter Ausbau dieser Technologie für unsere Zukunftsperspektiven etwa vom Wichtigsten sei. Und mittlerweile wird die allgegenwärtige Datenwolke, welche uns erlaubt, selbst auf dem Matterhorn hochauflösende Filme von allen erdenklichen Anbietern in Sekundenschnelle runterzuladen, als „normal“ empfunden.
Um diesem Trend für alle gewinnbringend zu folgen, ist es wichtig, die Ängste der Zweifler mit griffigen Argumenten zu relativieren. Dazu dienen u.a. Wissenschaftler, welche die diesbezügliche Unbedenklichkeit untermauern. Eine Person, welche dies erfolgreich und weit über die Schweizergrenzen hinaus leistete, ist das ehemalige ICNIRP-Mitglied und ehemaliger BERENIS-Vorsitzender Prof. Dr. Martin Röösli, welcher u.a. postulierte, dass seine nachgewiesenen Veränderungen der Hirnfunktionen infolge der Funkstrahlung von Handys völlig harmlos seien, und dass Personen, welche meinen, unter den Auswirkungen von Hochfrequenter Funkstrahlung zu leiden, einem psychischen Problem (Nocebo Effekt) auf den Leim gehen.
Zur Beurteilung der Problematik hochfrequenter elektromagnetischer Felder wird Rööslis Meinung immer noch von den höchsten Bundesämtern vertreten, obwohl seine wissenschaftliche Integrität von namhaften Wissenschaftlern stark angezweifelt wird.
Technische Innovationen im Funkbereich werden primär ohne Abklärung des Gefahrenpotentials eingeführt. Nachträgliche Korrekturen an etablierten Technologien sind selten. Eine Ausnahme war z.B. 1998 der Abbruch des Kurzwellen-Senders Schwarzenburg, weil er die dortige Bevölkerung und auch die Nutztiere bedrohte. Belegt wurden gesundheitliche Probleme ab 0,4 V/m.
Aber seriöse Untersuchungen, welche Innovationen im Mobilfunkbereich hinterfragen, wirken dem Ausbauwunsch der Mobilfunkindustrie entgegen. Oder wie es Prof. Niels Kuster 2018 formulierte: «Industrie und Behörden haben beschlossen, dass Mobilfunkstrahlung kein Risiko darstellt».
Entsprechend ist die Behauptung naheliegend, dass die Einführung von 5G, mit Antennen welche nur 10% ihrer tatsächlichen Leistung ausweisen, völlig harmlos sei.
Am behördlichen Axiom der Ungefährlichkeit soll nicht mehr gerüttelt werden!
Rufer in der Wüste
Im Bundesamt für Umwelt BAFU (seit 2006, Nachfolger des Bundesamtes für Umwelt, Wald und Landschaft BUWAL) hört man merkwürdigerweise sehr selten Hinweise, wie sie einst z.B. im Erläuternden Bericht zur NISV (BUWAL 23.12.1999) postuliert wurden:
- «Nichtionisierende Strahlung ist in der heutigen Umwelt allgegenwärtig. Bei hoher Intensität sind Schädigungen von Menschen nachgewiesen, bei niedriger Intensität bestehen begründete Hinweise auf schädliche Wirkungen»
- «Insbesondere auch epidemiologische Untersuchungen wurden bei der Grenzwertsetzung durch die ICNIRP nicht berücksichtigt.» […] «Die ICNIRP-Grenzwerte sind somit Gefährdungsgrenzwerte und nicht Vorsorgewerte.» […] «Die ICNIRP-Grenzwerte berücksichtigen nicht sog. nicht-thermische Wirkungen. [… Sie vermögen] den umfassenderen Kriterien des Umweltschutzgesetzes nicht zu genügen»
- «Zudem müssen dabei nicht nur die Wirkungen auf die allgemeine Bevölkerung, sondern auch die Wirkungen auf Personengruppen mit erhöhter Empfindlichkeit, wie Kinder, Kranke, Betagte und Schwangere, berücksichtigt werden»
Liegt das vielleicht daran, dass 2014 von diesem Amt die Beratende Expertengruppe nichtionisierende Strahlung (BERENIS) ins Leben gerufen wurde, welche bis Ende 2023 von Prof. Dr. Martin Röösli präsidiert wurde? Hr. Röösli, der einstige Primarlehrer, erlangte später den Master of Science in Umweltnaturwissenschaften und doktorierte 2001 an der Universität Basel mit einer Arbeit zum Thema Auswirkungen der Luftverschmutzung.
Unklar ist, warum Hr. Röösli in diese BERENIS Funktion berufen wurde, hatte er doch nie auf dem Gebiet von EMF-Strahlung gearbeitet und ist weder Mediziner noch Biologe noch Physiker noch Elektro-Ingenieur. Hatte er vielleicht einfach die Aufgabe, gewisse Dinge „ins rechte Licht“ zu rücken?
Anlässlich seiner Promotion hatte Hr. Röösli das Gelöbnis abgelegt, die wissenschaftliche Forschung stets ehrlich und verantwortungsbewusst zu betreiben und mit unparteiischer Sachlichkeit zu handeln.
Nun gibt es jedoch gewichtige Hinweise, welche Hrn. Martin Rööslis Gelöbnis „mit gewissenhafter Gründlichkeit und unparteiischer Sachlichkeit“ zu handeln in Frage stellen:
- Der Salzburger Plagiatsjäger Doz. Dr. Stefan Weber analysierte Rööslis Dissertation. Sein Gutachten dokumentiert 24 Plagiatstellen (www.mobilfunk-stgallen.ch). Leichte bis grössere Fahrlässigkeiten würden zudem im empirischen Teil gehäuft auftreten. Weiter hält er fest, dass sich Fehler und Ungenauigkeiten bei Berechnungen durch die gesamte Arbeit hindurchziehen.
- Mit der Arbeitsweise Rööslis hat sich 2020 der Onkologe Lennart Hardell auseinandergesetzt. Er schickte ein von 22 namhaften, internationalen Forschern unterzeichnetes Schreiben an den gesamten Bundesrat und die einschlägigen Bundesämter sowie an die BERENIS. Darin beschreibt Prof. Hardell Prof. Rööslis Handlungsmuster der Täuschung durch Auslassung relevanter Faktoren und Studienergebnisse, sowie mangelnde Objektivität aufgrund massiver Interessenkonflikte oder Befangenheit.
Hardells Forderung: Röösli soll das Amt des BERENIS-Präsidenten wegen Verstössen gegen die wissenschaftliche Integrität entzogen werden. - 2021 publizierte Röösli in der Zeitschrift Aktuelle Kardiologie (Ausgabe 10/2021) seine Darstellung zur Studienlage in Sachen 5G. Peter Hensinger von diagnose:funk nimmt dazu Stellung in der Zeitschrift umwelt . medizin . gesellschaft, (Ausgabe 35, 2/2022). Darin wird Prof. Röösli expressis verbis vorgeworfen: «Was Röösli den ÄrztInnen als Stand der Forschung vermittelt, ist unvollständig und irreführend.» Die qualitative Einordnung seines Artikels reicht von unvollständig und irreführend, Unterschlagung, Täuschung, Verharmlosung, nicht nachvollziehbar bis zu unwissenschaftlich.
- 2024 bewerteten unabhängige Wissenschaftler eine WHO-Monographie zum Thema Auswirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder. Massgeblich beteiligt: Martin Röösli. Kritiker belegten verschiedene Fehler und verlangten den Rückzug der Arbeit aufgrund mangelnder Wissenschaftlichkeit.
Nun verlautete, dass Hr. Röösli bei der Uni Basel, wo er doktoriert hatte und als Associate Professor am Swiss Tropical and Public Health Institute amtet, im Juni 2023 wegen Verdachts auf Verstösse gegen die wissenschaftliche Integrität angezeigt wurde.
Die Uni Basel hat Röösli diesbezüglich reingewaschen, weigert sich jedoch, die Akten vollumfänglich auf den Tisch zu legen. Gemäss Uni Basel soll Röösli die erhobenen Vorwürfe mit der Begründung zurückgewiesen haben, sie würden jeglicher fachlichen Grundlage entbehren. Weiter soll ein unabhängiger Gutachter Röösli entlastet haben. Dieses Gutachten wurde jedoch nicht bekannt gegeben, eben so wenig wie der Name des Gutachters und Rööslis Stellungnahme.
Im November 2023 hat Röösli auf sein drittes und letztes mögliches Mandat in der ICNIRP verzichtet. Zudem ist Röösli per Ende 2023 aus der BERENIS verschwunden, ohne dass dies kommuniziert wurde.